Hildegard von Bingen: O virtus sapientiae (Antiphon), aus "Symphonia armonie celestium revelationum"

Hildegard von Bingen

geboren 1098 in Bermersheim vor der Höhe (Ort der Taufkirche) oder in Niederhosenbach (damaliger Wohnsitz des Vaters Hildebrecht von Hosenbach); 

gestorben 17. Sept. 1179 im Kloster Rupertsberg bei Bingen am Rhein, Deutschland

 

 

 

Das lateinische Gedicht «O virtus sapientia» von Hildegard von Bingen, dieser Universalgelehrten aus dem Mittelalter , ist ein Hymnus an die Weisheit, die sozusagen als weibliche Gestalt die ganze Schöpfung durchwirkt. Sie erinnert an die Personifikationen der Weisheit in den biblischen Büchern Sprüche 8-9, Prediger/Sirach 24 und Weisheit Salomos 7-8.

Neumen in Hildegards Gesangs- und Gedichtsammlung "Symphonia armonie celestium revelationum" überliefern eine einstimmige, einfache Choralmelodie, die zu diesem Text gesungen werden soll, öfters in modernen Interpretationen von Bordunklängen grundiert.

Ohne das schnell missbrauchte Wort Gott auszusprechen, wendet sich die Dichterin an die lebendigen Auswirkungen der Weisheit, die alles umgibt und alles versteht und in allem klingt, als zöge ein Choral durch die Seelen.

Hier zu hören (ca. 3 Min.)!

 

Hörbegleiter:

 

Ein Melisma auf "O" breitet sich aus. Es könnte verglichen werden mit den Anfangsbuchstaben in den kunstvoll ausgemalten mittelalterlichen Büchern. Es bezeugt, wie wichtig der Dichterin diese erlebte Kraft der Weisheit  ist.

In grossem Bogen kreist die Melodie zwischen Oben und Unten und endet ihren Weg inkarnatorisch geheimnisvoll im Unten.

Drei (trinitarische) Ursprünge dieser Weisheit:
Oben: „una in altum volat“: hier wird in der Melodie etwas von der Transzendez der Weisheit hörbar.
Unten: „terra sudat: Die Melodie taucht ins Irdische.

Und dazwischen: Geistvoll wie Musik schwingt der dritte Flügel in allem überall!

„O sapientia“: schlichter ergreifender Schluss: DIE WEISHEIT allüberall, da wird alles andere relativ.

O virtus sapientiae 







Quae circuiens circuisti
Comprehendendo omnia
In una via, quae habet vitam


tres alas habens
quarum una in altum volat



et altera de terra sudat

et tertia undique volat.



Laus tibi sit, sicut te decet, o sapientia.

O Kraft der Weisheit,







welche du kreisend alles umkreist,
umfangend alles,
auf einem lebensmächtigen Weg.


Drei Flügel hast du:
In die Höhe empor schwingt der eine,


auf der Erde müht sich der zweite,

und allüberall schwingt der dritte.



Lob sei dir, wie es sich dir geziemt, o Weisheit.

Hinweis für Musikinteressierte:

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