Georg Friederich Händel: Chor “How dark , o Lord, are Thy decrees”, aus dem Oratorium Jephtha (beendet 1751) HWV 70

 

 

Georg Friedrich Händel

geboren 5. März 1685 in Halle (Saale),

gestorben 14. April 1759 in London

 

Uraufführung des Oratoriums Jephta:

26. Februar 1752 im Theatre Royal in Covent Garden

 

Mit dem Oratorium emanzipiert sich die religiöse Musik seit dem 17. Jhd. aus der Liturgie und tritt neu im aufkommenden Konzertsaal auf. Oratorien – das Wort kommt von orare (beten) - wurden ursprünglich in Rom erfunden (vgl. z.B. die Oratorien von Giacomo Carissimi), weil in der Fastenzeit im Kirchenstaat keine Opern aufgeführt werden durften. In Rom hat Händel die Form des Oratoriums entdeckt und später nach England übertragen und dort zur Meisterschaft weiterentwickelt, in einer Zeit, als seine Opern in London keinen Erfolg mehr hatten und nicht mehr rentierten.

 

Jephta ist Händels letztes Oratorium, komponiert im Jahr 1751. Es erzählt die biblische Geschichte aus dem Buch der Richter (11,30-40), wo Jephta (Jiftach) in eine tragische Situation gerät, weil er versprochen hatte, das erste Lebewesen, das ihm nach der siegreichen Schlacht begegnet, Gott zu opfern. Es war seine Tochter. Eine grausame und tragische Geschichte, die auf den Ursprungsmythos der Opferung von Erstgeborenen zurückgeht und so in die Bibel hineingerutscht ist.

 

1751 erblindete Händel, wie J.S.Bach 1 Jahr vorher. Händel verbindet seine tragische Situation des Erblindens mit dieser biblischen Tragik, vor allem in diesem Chor „How dark“ aus dem 2. Akt des Oratoriums.
Es ist kein frommes Gebet am Schluss des Aktes, es endet mit einer resignierenden Schlussmoral, die allerdings musikalisch so selbstbeschwörend ist, dass man zweifelt, ob dieser resignative Trost stimmig ist. Als ob sich da jemand etwas einreden will, wird der Satz "What ever is, is right" immer wieder wiederholt. Es ist eine Situation, in der die Sicht auf Gott sowie auf ein gelingendes Leben verdunkelt ist.

 

Hier zu hören (ca. 8 Minuten)!

 

Hörbegleiter:

 

Dem trauermarschähnlichen Beginn in c-moll folgen resignative Einsätze der Chorstimmen: «How dark…»!
Über einem tragischen Rhythmus scheint der Chor die Situation in dunkler homophoner Gemeinsamkeit zu akzeptieren.

Kanonische Einsätze der Chorstimmen nacheinander: es ist die Erfahrung von vielen, den Abfolgen der Natur unterworfen zu sein. 

Ohne festes musikalisches Fundament beginnt eine Fuge, deren Einsätze sich sozusagen deterministisch folgen. Das Motiv «no certain bliss - no solid peace» wird insistierend und fast anklagend wiederholt. Die Musik wird zum Ausdruck der «Condition humaine» und Endlichkeit des Menschen. 

Die Aufklärungsphilosophie kennt eine Maxime, die stoisches Ertragen fordert: «Whatever is, is right». Feierlich wird sie verkündet. Nochmals wiederholt. Sozusagen eingepaukt. Aber die untergründige Verzweiflung und Anklage bleibt.

 

How dark, o Lord, are Thy decrees! 
All hid from mortal sight!






All our joys to sorrow turning.
And our triumphs into mourning 
As the night succeeds the day. 



No certain bliss, 
No solid peace, 
We mortals know
On earth below.







Yet on this maxim still obey: 
Whatever is, is right.

Wie dunkel, o Herr, sind deine Ratschlüsse! 
Verborgen vor dem sterblichen Blick! 





All unsere Freuden werden zu Leid, unser Jubel zu Trauer, 
wie die Nacht dem Tag folgt. 



Kein Segen ist gewiss, 
kein Friede hat Bestand, 
den wir Sterblichen 
auf Erden geniessen.







Und doch gehorche dieser Regel: 
Was auch geschieht, es ist recht.

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